Donnerstag, 8. März 2007

Cogito ergo sum

Es gibt Tage im Leben, die nie wieder aus dem Gedächtnis gelöscht werden können. Die auf Lebzeiten im Erinnerungsspeicher festgemeißelt und auf der Datenbank unseres Gehirns immer abrufbar bleiben. Diese Tage sind besondere Tage. Sie sind getränkt, meistens mit Momenten von Liebe, tiefen Gefühlen, Glückseligkeiten, Schicksalsschlägen, Lebenskreuzungen, Einbrüchen, Veränderungen und Schmerz.

An so einen Tag will ich mich erinnern. Eintauchen, zurückdrehen, abspulen und noch einmal erleben wie alles kam. Wie alles war und was ich fühlte.

Wir schreiben den 12. Oktober des Jahres 1996. Es ist 7.38, der Tag hat noch nicht die Nacht durchbrochen, in der frühmorgendlichen Stille dieses Samstags. Wir stehen in dieser bestimmten Straße, in dieser Stadt, auf diesem Planeten, in unserem jetzigen Sonnensystem. Ich stehe in meinem Leben. An diesem Morgen, zu dieser Stunde, an diesem Tag, der noch jungfräulich vor mir liegt.... Es war ein wunderschöner Tag. Ich konnte nicht mehr schlafen und stieg aus dem Bett. Ich ging Duschen und machte mir Frühstück. Gegen 10h war ich mit meiner Freundin verabredet. Wir wollten Einkaufen gehen... Ein sehr entspannender und schöner Tag war es.... Aber all das schöne an diesem Samstag sollte gegen 17h zu ende sein... Heute blicke ich zurück und dieser Tag kommt mir wie ein kleiner Moment - ja wie ein Augenaufschlag vor...

Wenn ich mich heute daran erinnere, überkommt mich immer noch ein Schaudern. Und ich erinnere mich gerne. An damals. An de Zeit mit Nico. Und wenn ich mich heute daran erinnere, dann ist der Schmerz verheilt. Und nur eine sanfte, erfüllende Erinnerung durchflutet mich. Mit dem Wissen, dass ich so nie wieder lieben werde. Aber auch mit dem Wissen, dass nur die wenigsten Menschen eine solche Liebe je erfahren werden.

Spätsommer 1994. Der Zug von Frankfurt nach Fulda hat wieder einmal Verspätung. Ich trage es mit Fassung, telefoniere kurz mit meiner Freundin, kaufe mir noch ein wenig Lektüre und lasse mich auf einer Bank nieder. Da nehme ich ihn wahr. Diesen kurzen Blick, den mein Gegenüber mir an seiner Zeitung vorbei schickt. Auf der Stelle verwandelt sich mein Hirn in ein Tollhaus. Ein Blitz. Ein Moment nur, und ich sehe die Welt plötzlich bunt, verträumt, rosa.

Das kann doch nicht sein. Ich pragmatisches, rationales Wesen. Pah, Liebe auf den ersten Blick, so ein Quatsch. Immer schneller huschen die Blicke von ihm zu mir – und zurück. Plötzlich steht er auf – mein Gott, er steht auf – kommt auf mich zu. Ich bete, er möge mich nicht ansprechen. „Darf ich mich neben Dich setzen?“ Ja, klar, darf er, er soll sogar. Ich würde am liebsten brüllen: „Ja, bitte!“. Heraus bekomme ich kein Wort, nur ein heftiges Kopfnicken artikuliert meine Zustimmung. Ich bin sprachlos. Das erste Mal in meinem Leben.

Endlich finde ich meine Fassung wieder. Wir stellen uns einander vor, flirten, erzählen voneinander, stellen fest, dass wir beide sehr oft in Frankfurt sind und unsere Wohnungen in den Heimatlichen gefilden nicht weit voneinander entfernt sind.

Wir reden mit einer Vertrautheit, die ich nicht fassen kann. Einer Nähe, die mich völlig verwirrt. Erst die Einfahrt vom Zug bringt uns zurück. Noch immer im Gespräch miteinander, bewegen wir uns in den Zug. Ob es mir etwas ausmachen würde, dass wir nebeneinander sitzen, fragt er mich. Ausmachen? Nein, Nie, gerne. Ich jubiliere. So verbringen wir die Zugfahrt damit, uns kennen zu lernen. Und am Abend verabreden wir uns in Fulda in "Joe´s Garage"...

Nach ein paar Getränken begleite ich ihn in seine Wohnung. Kaum dort angekommen, fallen wir übereinander her. Dann, unvermittelt, stoppt er. „Liebes, ich will mehr von Dir. Und ich will Dich genießen.“ Mich schaudert. Ich verstehe nicht so schnell. Ich fühle nur mein Verlangen, meinen Trieb. Er stellt mich vor sich, streift geschickt meine Jeans und mein Top ab. Dreht mich zu sich und sagt nur, ich solle stillhalten. Ja, genau das ist es, was ich liebe. Mich hingeben. Mich ihm ausliefern.

Mit einem Seidentuch verbindet er mir die Augen. Dann dirigiert er mich auf das Bett, bindet meine Arme mit weiteren Tüchern sanft an die Messingstäbe. Er streicht mir sanft über die Beine. Mein ganzer Körper ist gespannt.

Plötzlich geht er. „Mein Gott, was, wenn er ein Psychopath ist, Dich hier liegen lässt.“ Erst jetzt klopft mein Verstand wieder an, machen sich Angstgedanken breit. Mir wird klar, dass ich nichts von ihm weiß – eigentlich, dass er nun alles mit mir machen kann. Dass ich einen wildfremden Mann mich ausgeliefert habe. Dieser Gedanke erregt und erschreckt mich gleichermaßen.

Nico kommt zurück. Bevor ich etwas sagen kann, streicht er mir über die Schenkel. Er muss meine Gedanken gefühlt haben. „Du brauchst keine Angst haben, ich werde nichts tun, von dem ich nicht weiß, dass Du es auch willst.“ Seine sanfte Stimme beruhigt mich sofort, umarmt meine Sinne wie ein Samttuch.

Noch bäumt sich der Verstand auf. „Wie, woher weiß er, was ich will“, schießt es noch durch meinen Gedankennebel. Doch da spreizt er schon mit Nachdruck meine Schenkel auseinander. Ich liege völlig offen vor ihm. Er bindet nun auch meine Beine fest. „Weißt Du eigentlich, wie schön Du bist, wenn Du so offen und bereit vor mir liegst?“

Ich höre nichts mehr. Ich weiß auch nichts mehr. Ich spüre nur die Hitze zwischen meinen Beinen. Ich spüre, wie seine Hände sanft meine Brüste kneten, dann heftig die Warzen knebeln und zwirbeln. Ein kurzer Schmerz, der sich in Wellen der Lust verläuft. „Wir werden noch viel Spaß miteinander haben. Und Du wirst viel Neues lernen.“

Seine Hände fahren langsam meinen Körper hinab. Spreizen meine Schamlippen. Mit einem Finger streicht er über die nasse Spalte. Ich laufe aus. Dann bohrt er mehrere Finger in mich. Ich bäume mich auf. Kurz darauf spüre ich, wie er etwas in mich einführt. „Erst einmal muss ich Dich etwas dehnen.“ Ein Gefühl wie beim Frauenarzt überkommt mich. Erst will ich mich empören, doch dann lasse ich der Lust ihren Lauf.

Er dehnt mich mit seinen Fingern. Immer weiter. Dann bearbeitet er mich mit diversem Spielzeug. Ich merke, wie ich immer mehr Saft produziere. „Wow, Du spritzt ja richtig“, stellt Nico begeistert fest. Ich höre es gar nicht. Plötzlich durchzuckt mich ein wahnsinniger Schmerz, Tränen schießen ins Auge. Eiswürfel, er hat Eiswürfel in mich geschoben. Doch kaum lässt der Schmerz nach, ist da wieder nur die Lust. Ich bin sein Lustobjekt.

„Ich will mit Dir schlafen, so sehr, wie ich es noch nie vorher mit einer Frau wollte. Jetzt werde ich Dich nehmen.“ Ganz zärtlich, mit unglaublicher Sanftheit dringt Nico in diesem Moment in mich ein. Meine Vaginalmuskeln verengen sich, umschließen ihn. Wir umschlingen uns, taumeln in Wellen der Lust, nein, der Liebe. Beide kommen wir gleichzeitig zu einem Höhepunkt voller bunter Farben. Und schlafen ineinander geborgen ein.....

So hatte es mit Nico und mir begonnen. Mehr als zwei Jahre waren wie beiden ein Paar. Unschlagbar. Unantastbar. Mit sehr viel Liebe, Vertrautheit. Selbst in den Zeiten, in denen wir– beruflich bedingt – getrennt voneinander waren, umspannte uns ein Band der Zärtlichkeit, der Wärme. Der Glückseligkeit...

Am besagten 12. Oktober 1996 klingelte gegen 17h mein Telefon. Es war Julia, seine Schwester...
"Nico...."
sie weinte bitterlich...
"Er hatte vorhin einen Unfall mit dem Motorrad... Eine Frau hat ihm die Vorfahrt genommen.....Er wurde Operiert, aber sie konnten ihm nicht helfen.... Es ist alles erst eine Stunde her... es tut mir so leid....ich konnte nicht früher anrufen"
Ein Nebel legte sich um mein Herz, meinen Verstand.
"....er ist TOT.....verstehst Du? Sie konnten ihm nicht helfen...."
Mir wurde schwindelig. Ich konnte nicht fassen, was mein Gehirn gerade aufnehmen sollte. Es schrie alles in mir, doch ich blieb stumm.
"Komm bitte zu uns nach Hause.... bitte, Du musst schnell kommen....“
Es krachte endgültig in mir. Als ob mir jemand seelisches Rückrat gebrochen hätte.... An die Autofahrt kann ich mich bis heute nicht erinnern...

Lange Zeit konnte ich nicht glauben, dass mir der Mann, für den ich Lebte, genommen wurde.... Ich hielt es immernoch für einen schlechten Witz. Ich sprang zum Fenster, jedes Mal wenn ich ein Motorrad hörte....Glaubte er kommt wieder... Aber er kam nicht mehr...

Heute sitze ich auf meiner Couch und ich erinnere mich gerne. So gerne. So intensiv. Und die Erinnerung erfüllt mein Herz mit sanfter, leidenschaftlicher, mit unendlicher Liebe...

Untergang

Das Miststück

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Stritty - 8. Mär, 10:54

Ich habe weinen müssen bei diesem Beitrag. Ich kann dich ein kleines bisschen verstehen, was in diesem Moment in Dir vorging. Ich trauere nun immer noch und eine träne läuft an meiner Wange runter. Denn auch meine Mutter ist gestorben, zwar in anderen Umständen, trotzdem.

Es tut mir so leid für dich, das glaubst du gar nicht.

Alexander Stritt

Miststueck1979 - 8. Mär, 11:13

Hallo Alexander,

ja, es ist nie leicht gelibte Menschen gehen zu lassen. Ich habe viele Bücher gelesen, die sich mit dem Thema Tot auseinander setzen und sie haben auch geholfen. Ich kann nun in Dankbarkeit für die schöne, wenn auch sehr kurze Zeit, die wir gemeinsam verbringen duften, zurück blicken.

Ich wünsche Dir stärke! Und erinner dich an all die schönen Zeiten. Das wird Dir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern! Versprochen!

Liebe Grüße
M
DerBasler - 8. Mär, 12:24

schön und traurig, zur besinnung geeignet

eine schöne story, leider ohne happy end, leider ohne fortsetzung. das leben schrieb das ende, nicht deine finger. und das leben schreibt nicht immer glückliche geschichten. ich kann dir nachfühlen, ich hatte im juli '05 einen motorradunfall, im hubschrauber fragte der notarzt mich ob ich organspender sei, da wurde mir klar, dass meine inneren verletzungen schlimmer sein mussten, als ich es spürte. ich kam mit dem leben davon, meine zeit war wohl noch nicht reif... aber ich habe seitdem meine einstellung zum leben und anderen leuten geändert.
und du musst nicht vergessen, im gegenteil, erinnere dich an alles was ihr gemeinsam erlebt habt, an all die schönen dinge und stunden. es wird immer ein schöner abschnitt deines lebens bleiben, auch wenn das ende sehr hart war.
lg
derbasler


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